Deutscher Text
Nach dem ersten Weltkrieg kamen die sperrigen Trichter-Grammophone
vollends aus der Mode. Man begann damals, Grammophone platzsparend
und gut getarnt in Gebrauchsgegenständen ein zu bauen, z.B.
als "Floraphon" in Blumentöpfen, als "Phonolicht"
in Lampen oder in Ständern für Weihnachts-Bäume.
Das Versteckspiel mit Sprechmaschinen trieb seine besonderen Blüten
und es gab kaum etwas, das nicht dafür geeignet war, um ein
Grammophon zu tarnen.
Von der Firma E. Paillard & Cie aus der Gemeinde Ste-Croix
im Waadtländer Jura sind einige solcher Kuriositäten bekannt.
Beliebt war ein Grammophon, welches in der hölzernen Attrappe
eines Buches eingebaut war und bei Nichtgebrauch unauffällig
im Büchergestell versorgt werden konnte. Auch der vorliegende
Grammophon-Tisch stammt mit grösster Wahrscheinlichkeit von
Paillard. Die hohe Seriennummer 1'983'714 des Motors deutet darauf
hin, dass es eines der letzten Grammophone war, welches das Fabrikgebäude
in Ste-Croix verliess, denn die Firma stellte ihre Produktion Anfangs
der 1930er Jahre um und hatte fortan Erfolg mit ihren "Hermes"
Schreibmaschinen und den "Bolex" Filmkameras.
Das Möbel wurde im eleganten Louis VX Stil gebaut. Es ist
79 cm hoch und hat eine Auflagefläche von 75 x 50 cm. Das Tischblatt
ist mit rotem Stoff überzogen, in dem ein Blumenmuster eingewoben
ist. Die Trichteröffnung befindet sich hinter einer Schubladen-Attrappe.
Als Besonderheit hat das Gerät eine spezielle Start-Stopp Vorrichtung
mit Schweizer Patent.
Die Schalldose trägt das "Goldring" Label und hat
die Bezeichnung "Juwel Electra". Die Gebrüder Scharf
aus Berlin tüftelten Tag und Nacht an der Verbesserung der
Tonqualität von Grammophonen. Mit der Goldring-Schalldose gelang
ihnen 1926 ein grosser Erfolg. Vor dem zweiten Weltkrieg mussten
sie dann nach England emigrieren, wo die beiden, mittlerweile auf
Rundfunk-Technik spezialisierten Ingenieure eine Industrie begründeten,
die noch heute mit der Marke "Goldring" Plattenspieler
und Audio-Technische Geräte herstellt.
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